700 beschädigte Objekte mit einer Schadensumme von rund 20 Mio. nur bei der GVB;
Schäden in der Höhe von mehreren Millionen an Mobiliar und Kulturen. 4.36 Mio. Schäden EWG und Schwellenkorporation. Davon ungedeckt 2.4 Mio!
Kurz nach Mittag sitze ich wartend im Behandlungszimmer des Arztes. Durch das Fenster beobachte ich den Kirchturm und den einheitlich schwarzen Himmel dahinter. Während der Konsultation blitzt und donnert es, Regen beginnt zu fallen, und bald giesst es wie aus Kübeln. Nicht einmal einen Schirm habe ich dabei. Daher rufe ich meine Frau an, dass sie mich mit dem Auto abhole. Als sie kommt, steht der gepflästerte Platz vor der Praxis bereits knöcheltief bis an die Türschwelle unter Wasser. Ich ziehe Schuhe und Socken aus und wate zum Auto.
Beim Nachhausekommen rinnt eine braune Brühe den Giebelweg hinunter. Bei der Nachbarin läuft das Wasser, das sich aus dem höhergelegenen Feld in den Garten ergiesst, schon beinahe in den Keller.
Um 14.40 Uhr heult die Sirene, unhemlich, unheilverkündend. Grossalarm der Wehrdienste! In Uniform und Stiefeln eile ich ins Magazin in den "Chipf". Bereist kommt der Luterbach sehr hoch, überschwemmt die Krauchthalstrasse, doch man kann noch fahren.
Oberkommandant Peter Brand schnappt mich: "Komm mit, zum Rekognoszieren im Luterbach." Bei der Abzweigung hinter der Steingrube sehen wir, dass der Krauchthalbach nur wenig Wasser bringt, doch der Luterbach rauscht braun und stickend heran. Es geht bis zur Schmitte im Sandsbach, dort aber wälzt sich das Wasser so hoch über die Strasse, dass an ein Weiterkommen auch mit dem Geländefahrezug nicht mehr zu denken ist. Umkehren! Wie mag es wohl erst weiter hinten im Tal aussehen?
In der Funkzentrale "Chipf" beziehe ich nun meine Stellung. Wehrdienstangehören füllen in Eile Sandsäcke ab, errichten Sperren entlang der Krachthalstrasse. Doch der Bach schwillt weiter an, ergiesst sich zuerst in die Gärtnerei Lobsiger, dann auf der anderen Seite in die Kirchmatte. Er fliesst in die Einfahrten, drückt Garagentore ein und füllt die Keller bis obenaus ebenso wie die riesige Baugrube der Firma Stalder.
Bewohner schreien, fluchen: "So tut doch endlich etwas!" Es gibt nichts zu tun; hilflos müssen wir zusehen und warten.
Eine schreckliche Meldung trifft telefonisch vom Rain im Luterbach ein. Frau Berger hat beobachtet, dass zwei Feuerwehrmänner auf dem Weg zum Einsatz am gegenüberliegenden Hang von einer Rüfe verschüttet worden sind. Wir schicken einen Rettungstrupp mit Arzt und Polizei. Für den einen der Männer kommt jede Hilfe zu spät. Ein Menschenleben ist zu beklagen.
Ich denke, es sei angenehm, so im Trockenen arbeiten zu können, als ein seltsames Blubbern im Magazin mich aufblicken lässt. Auf der ganzen Hallenbreite fliesst Wasser über die Schwelle, verläuft sich vorerst noch in der Kanalisation, die aber sofort voll ist. Das Wasser steigt höher und höher, einen halben Meter, braun, stinkend, dringt durch die Türe in den Kommandoraum, schwappt in die Stiefel, Säcke mit Ölbindemittel treiben in der Halle auf den Fluten.
Kurz vor vier Uhr treffen Meldungen von der Emmentalstrasse ein. Sie ist vollständig überflutet. Der Biembach hat wie ein Wilbach soviel Wasser gebracht, dass unser Dorfbach die Massen niemals schlucken konnte. Die ganze Breite des Talbodens steht unter Wasser. Eine braune Brühe wälzt sich die Emmentalstrasse hinunter. Der Verkehr kommt vollständig zum Erliegen. Auf teilweise abenteuerlichen Wegen versuchen viele von der Arbeit nach Hause zu gelangen.
Über Funk vernimmt man, dass Biembach und Hasle schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden und dass auch Burgdorf seinen Teil abbekommen hat. Laufend treffen nun am Telefon Meldungen von Schäden ein. Insgesamt gegen hundert Überflutungen, davon solche riesenhaften Ausmasses wie die Autoeinstellhallen in der neuen Überbauung "Sonnenfeld" und die der Bärenmatte werden bekannt. Mehr als ein Dutzend Autos erleiden Totalschaden. Heizöltanks schwimmen und kippen um. Das Öl mischt sich mit der Brühe. Auf der Löwenkreuzung stinkt es nach Öl. Ratlos, hilflos stehen die Anwohenr auf trockenen Treppen.
Als das Wasser endlich nicht mehr weiter steigt, heisst es handel. Menschen, Schweine, Hühner und Kaninchen müssen aus den Fluten gerettet werden. Doch wegen Wasserschaden gibt ein Fahrzeug nach dem anderen seinen Geist auf. Die Wehrdineste und der eilig per Telefon aufgebotene Zivilschutz pumpen, was die Spritzen halten. Aber der zähe Schlamm lässt sich nicht so einfach absaugen. Ununterbrochen stehen die Männer im Einsatz, um die gröbsten Schäden zu beheben. Selbst die Schüler helfen am nächsten Tag, der für schulfrei erklärt wird, Strassen, Vorpätze und Keller zu säubern.
In den folgenden Tagen heisst es, die Arbeit zu organisieren und die Kräfte einzuteilen. Freudige, das vollständig abgeschnitten ist, wird über eine Notstrasse erschlossen.
Keller werden ausgepumpt, die Kanalisation wieder freigespült und verdorbener Hausrat muldenweise abgeführt.
Insgesamt werden von den Wehrdiensten bis am 18. Juli rund 4'260 und vom Zivilschutz rund 3'000 Arbeitsstunden geleistet. Die Schäden bewegen sich in der Höhe von 6 Millionen Franken. Doch so genau lässt sich das nicht beziffern.
Wer den Schaden hat, darf auf freundnachbarliche Hilfe zählen. Hunderte von Stunden halfen auswärtige Feuerwehren und Zivilschutzeinheiten sowie Freiwillige, die schlimmsten Schäden zu beheben und unsere Bäche zu verbauen. Von der Schweizerischen Hilfsorganisation, der "Glückskette", durfte die Gemeinde 500'000 Franken als zinsloses Darlehen und von der kantonalen Spendenkommission 216'000 Franken entgegenenehmen. Auch die örtliche Sammlung brachte 44'500 Franken ein, welche privaten Geschädigten verteilt werden konnten, denen insgesamt ungedeckte Schätden von rund einer Viertelmillion Franken entstanden waren.
Heute sind die meisten Spuren getilgt, die Angst aber, die bei gewitterschwarzem Himmel beklemmend um sich greift, lässt sich nicht so schnell überwinden.